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Branchenreport - IT Handwerk  

Die Antwort auf „Geiz ist geil“: Hochwertige Dienstleistungen

Vor kurzem fiel Hauptgeschäftsführer Marcus Otto beim Aufräumen eines Kellers in der KH ein knapp 30 Jahre alter Zeitungsartikel in die Hände. Darin äußerte sich ein Fachmann über die Zukunft der damals neuen Satelliten-TV-Empfangstechnik. Klare Aussage: „Das wird sich nicht durchsetzen. Ist viel zu teuer.“

So können sich selbst Experten irren. Aber das Beispiel deutet schon an, wie sehr sich das Informationstechniker-Handwerk in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Neue Techniken brachten zahlreiche neue Betätigungsfelder: Wer heute in ein klassisches Radio- und Fernsehgeschäft geht, findet dort nicht nur Rundfunkempfänger und TV-Geräte, sondern auch PCs und Notebooks, Handys und Telefone sowie alles, was er für den Einstieg ins Internet benötigt. „Der Wandel ist dramatisch“, sagt Achim Willutzki, Obermeister der Innung für Informationstechnik Bergisches Land.

1998 wurden die Handwerksberufe Radio- und Fernsehtechniker sowie Büroinformationselektroniker zusammengeschlossen. Heraus kam der Informationselektroniker – so der Name für die Gesellen – bzw. Informationstechniker, wie die Meister heißen. Wie mancher in der Branche, so ist auch Obermeister Willutzki nicht glücklich über die Bezeichnung. „Viele Menschen können sich darunter nichts vorstellen. Für unsere Kunden sind wir heute immer noch der klassische Radio- und Fernsehtechniker.“ Er hätte es gerne gesehen, wenn bei der Neuordnung der Begriff „Multimedia“ verwendet worden wäre.

Damals entstand auch die Innung für Informationstechnik, die sich im Übrigen als erste Innung innerhalb der Kreishandwerkerschaft auf den gesamten Bereich des Rheinisch-Bergischen-Kreises, des Oberbergischen Kreises und der Stadt Leverkusen erstreckte. 42 Betriebe gehören ihr heute an. Vier Fünftel von ihnen sind Fachbetriebe für Unterhaltungselektronik. Hinzu kommen Spezialisten etwa für Kabelverlegung, Netzwerktechnik, Internetanwendungen oder Büroelektronik. Das Klima in der Innung ist gut, sagt Willutzki. Allerdings wünscht er sich, dass sich mehr Mitglieder an den Aktivitäten und Versammlungen beteiligten und auf diese Weise die ehrenamtliche Arbeit des Vorstands würdigen.

Das Bild der Branche ist heute zweigeteilt. Gut geht es den Betrieben, die sich entweder auf Netzwerktechnologie spezialisiert oder ihr Tätigkeitsfeld um die Telekommunikation und Computertechnik erweitert haben. Wer hingegen diesen Zug verpasst hat und immer noch schwerpunktmäßig Fernseher verkauft und repariert wie vor 15 Jahren, tut sich schwer, meint Achim Willutzki. Der Kunde möchte alles aus einer Hand: „Wenn jemand ein Problem mit seinem Fernseher, Internet und Telefon hat, will er ja nicht drei verschiedene Techniker bei sich im Haus haben, sondern einen Fachmann, der sich auf allen drei Gebieten auskennt und ihm kompetent hilft.“

Kompetenz und Service: Das sind zwei Schlüsselbegriffe für die Branche, die sich von den großen Handelsketten, für die Geiz immer noch geil ist, absetzen muss. Das funktioniert zum einen über exklusive Produkte, die für designorientierte Technik stehen. Willutzki nennt als Beispiele die Marken Metz, Loewe oder Technisat, die überwiegend im klassischen Fachhandel verkauft werden. Hier erhalte der Kunde für etwas mehr Geld ein hochwertiges Produkt mit einem langfristigen Service. Scheinbar preisgünstige Geräte aus Fernost hingegen seien auf lange Sicht oft kein Schnäppchen, weil beim ersten Serviceproblem schon große Schwierigkeiten etwa mit der Software auftreten könnten. So gewährten manche Hersteller nicht mehr jedem Fachhändler den Zugang zu ihren Informationsdiensten. „Es gibt bereits Hersteller, die in der Garantiezeit den kompletten Service für sich selbst reklamieren – und der Fachhändler um die Ecke hat dann den Ärger mit den Kunden, der das nicht nachvollziehen kann“, erklärt Willutzki.

Das habe auch etwas mit den Erwartungshaltungen der Kunden zu tun. Beim Discounter sei jedem klar, dass es keinen besonderen Service gebe, beim Fachhändler dagegen wolle mancher denselben Preis inklusive Service. Ohnehin seien die Preise bei aktuellen Produkten durchaus vergleichbar, da es sich in aller Regel um empfohlene Verkaufspreise handele.

Vor diesem Hintergrund kommt es für das Informationstechnikerhandwerk darauf an, seine Arbeitskraft besser zu verkaufen. Viele Betriebe berechnen den Installationsservice inzwischen extra. Willutzki: „Wenn Sie heute einen Flachbildfernseher der neuesten Generation kaufen, hat der einen eingebauten digitalen Empfänger und einen Netzwerkanschluss für Internetinhalte. Da dauert die Programmierung locker ein bis zwei Stunden.“ Kein Vergleich mehr mit früheren Zeiten, als am Fernsehen lediglich drei Antennenprogramme eingestellt werden mussten.

Den Service der Spezialisten für Unterhaltungelektronik nehmen vor allem Kunden ab 45 bis 50 Jahre an. Sie haben keine Lust, keine Zeit oder keine Nerven, sich mit der Technik zu beschäftigen, und lassen das vom Fachmann erledigen. Das gilt übrigens nicht nur für Fernseher, sondern auch für Internet- und Telefonanschlüsse – Techniken, die auch immer mehr Senioren nutzen.

Ohnehin vollzieht sich die Entwicklung immer schneller. „Als ich die Ausbildung gemacht habe, konnte ich mit dem damals gelernten Wissen fünf oder sogar zehn Jahre überbrücken“, berichtet Achim Willutzki. Das funktioniert heute nicht mehr. Der Obermeister nennt als Beispiel das 3D-Fernsehen. Im vergangenen Jahr hätten die Hersteller die Einführung der ersten Geräte für den kommenden Herbst 2010 angekündigt. Danach müssen sie den Turbo eingeschaltet haben, denn schon jetzt stehen die ersten Fernseher mit der neuen Technik in den Geschäften.

Ein anderes Beispiel dafür, wie schnelllebig die Branche geworden ist, stellt die Blu-ray-Technologie dar: Die Markteinführung in Deutschland liegt gerade einmal drei Jahre zurück. Damals kostete ein Abspielgerät zwischen 600 und 700 Euro. Heute beginnt die Einstiegspreisklasse bei 100 bis 200 Euro. Willutzki: „Stellen Sie sich vor, Sie kaufen heute ein Auto für 30.000 Euro, und zwei oder drei Jahre später würden Sie das vergleichbar ausgestattete Auto ebenfalls neu für 10.000 Euro kaufen. Das ist unsere Branche.“

Da wird schnell klar: Seit der „Geiz ist geil“-Ära können die Betriebe vom Geräteverkauf nicht mehr leben. Willutzki schätzt, dass der Umsatz bereits zu einem Drittel mit Dienstleistungen erwirtschaftet wird – die aber schon die Hälfte des Betriebsergebnisses ausmachen. Zunehmend gefragt sind auch wieder Werkstattleistungen. Während etwa die letzten Generationen der Röhrenfernseher technisch ausgereift und langlebig waren, kommen jetzt die ersten hochwertigen Flachbildgeräte zur Reparatur.

Da ist es nur konsequent, was der Obermeister in seinem eigenen Betrieb gemacht hat, als eine große Handelskette vor einigen Jahren begann, abends länger zu öffnen: Willutzki halbierte seine eigenen Öffnungszeiten – von 40 auf 20 Stunden pro Woche. „Dafür sind wir für unsere Kunden schneller da. Das funktioniert seit acht Jahren“, erläutert er. Alle zwei Stunden wird der Anrufbeantworter abgehört. Innerhalb von zwei bis drei Stunden ist ein Techniker beim Kunden, wenn der ein Problem hat. Wobei er einschränkt: „Wir sind auf dem Land – im städtischen Bereich würde das so sicher nicht umsetzbar sein.“ Dennoch: Ein interessantes Beispiel ist es allemal.

Eine weitere große Konkurrenz ist dem Fachhandel mit dem Internet erwachsen, wo viele Produkte inzwischen regelrecht verramscht werden. Damit verbunden ist auch ein Imageverlust für bestimmte Marken. Deshalb arbeiten inzwischen einige Hersteller an Konzepten, wie sie das klassische Handwerk stärken können. Ein großer japanischer Konzern etwa honoriert die Beratungsleistung und die Präsentation im Geschäft nachträglich. Der Fachhändler erhält eine Vergütung, wenn er nachweist, dass er das Gerät an einen bestimmten Kunden verkauft und dabei Beratungs- und Dienstleistungen erbracht hat. Dadurch erhöht sich die Marge für den Spezialisten vor Ort, während der Internethändler unter Druck gerät. Ein anderer Weg sind exklusive Geräte für den stationären Handel, die es im Netz gar nicht gibt.

Während die Informationselektroniker mit dem Schwerpunkt Geräte und Systemstechnik fast ausschließlich für Privatkunden arbeiten, sind ihre Kollegen mit dem Schwerpunkt Bürosystemtechnik vor allem für Unternehmen tätig. Sie richten komplette Arbeitsplätze ein, betreuen das Firmennetzwerk, liefern Digitalkopierer und sorgen für die gesamte Büroausstattung.

Für Achim Willutzki ist sein Handwerk der schönste Beruf der Welt. „Wir dürfen uns immer wieder mit neuer Technik beschäftigen, können uns einarbeiten und Probleme lösen – darin liegt täglich eine tolle Herausforderung.“ Deshalb sieht er auch optimistisch in die Zukunft. Die Branche profitiere vom demografischen Wandel und werde genügend Arbeit haben. Das Problem liege darin, auf lange Sicht die Fachkräfte zu finden. Einerseits sei das Informationstechniker-Handwerk in den letzten Jahren durch ein konjunkturelles Tal gegangen, bevor es seine neue Rolle als Dienstleister gefunden habe. Mancher Betrieb habe da aus finanziellen Gründen weniger oder gar nicht mehr ausgebildet. Andererseits kennen viele Jugendliche den Beruf des Informationselektronikers gar nicht, glaubt Willutzki.

Dafür kennen viele Kunden die Vorzüge des Handwerks nur zu gut. „Manche drücken uns den Haustürschlüssel in die Hand, bevor sie in Urlaub fahren, damit wir in der Zwischenzeit ein Problem lösen – das setzt ein riesiges Vertrauen voraus“, berichtet der Obermeister. Er denkt schon darüber nach, dass sein Gewerk mit dem Malerhandwerk kooperieren könnte: „Demnächst werden die Fernseher so dünn, dass sie tapezierfähig sind, so dass wir die Wandgestaltung am besten zusammen mit den Malern anbieten.“

Ein Tipp zum Schluss: Was ist die beste TV-Technik – LCD, LED oder doch Plasma? Die ganze Kette muss passen, sagt Willutzki. Man brauche eine gute, fachgerecht installierte und eingemessene Satelliten-Antenne, zudem einen hochwertigen Reciever und einen hochwertigen Fernseher mit der entsprechenden Verkabelung. „Wenn die Kette stimmt, haben Sie ein gutes Bild“, so der Obermeister. „Wenn Sie aber irgendwo einen Schwachpunkt haben, sei es die Schüssel oder ein schlechtes Anschlusskabel, geht das Theater los.“

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