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Branchenreport - Fleischerinnung  

Regionaler Einkauf und Qualität, die es nur im Handwerk gibt

Der Film dauert nur zehn Sekunden. Und der Sprecher benötigt gerade einmal acht Wörter, um die Botschaft zu vermitteln: „Heimat. Echtes Handwerk. Faire Preise. Fleischerhandwerk – das Original.“ Dazu gibt es Bilder von glücklichen Kühen, einem jungen Mitarbeiter in der Wurstküche und einer bestens gelaunten Kundin an der Verkaufstheke einer Metzgerei.

Mit seinem TV-Spot, der seit Mitte August auf mehreren Fernsehkanälen läuft, stellt das Fleischerhandwerk erstmals den handwerklichen Charakter des Berufes in den Vordergrund der Werbung. Mit dieser Aussage soll nicht nur der Verbraucher für die Vorteile des Einkaufs im Fleischer-Fachgeschäft sensibilisiert werden. Gleichzeitig setzt sich das Handwerk damit auch gegenüber Mitbewerbern ab, die verstärkt mit handwerklich erscheinenden Produktbezeichnungen, Werbetexten und Bildern auf Kundenfang gehen. Dagegen stellt die Werbung des Fleischerhandwerks regionale Kreisläufe und persönliche Kundenbeziehungen, handwerkliche Vielfalt und Qualität sowie ein attraktives Preis-Leistungsverhältnis bei handwerklich hergestellten Produkten.

Dieter Himperich wird die Kampagne sehr recht sein. Die Lage im Fleischerhandwerk der Region sei durchwachsen, sagt der Obermeister der Fleischer-Innung Bergisches Land. Die Betriebe hätten es schwer, die nötigen Erträge zu erwirtschaften. Ein Grund: immer härtere Konkurrenz. Die großen Supermarkt-Ketten drücken die Preise für Lebensmittel, um so Kunden in ihre Geschäfte zu locken. Das beste Beispiel sei die Milch. „So wird es mit Fleisch und Wurst auch permanent gemacht“, erläutert Himperich. Darunter leide das Fleischerhandwerk, das zwar mit den Discount-Preisen nicht mithalten könne, gleichwohl aber durch die Billig-Strategie des Wettbewerbs unter Druck gerate. Der Obermeister schildert ein besonders krasses Beispiel: Vor einiger Zeit bot ein Discounter australisches Lammfleisch für etwa vier Euro pro Kilo an. Für ein in der Region aufgewachsenes Lamm hingegen werden je Kilo fast sieben Euro fällig – im Einkauf!

Insgesamt haben sich die deutschen Fleischer-Fachgeschäfte im Jahr 2008 auf einem geschrumpften Markt behaupten können. Ein durchschnittlicher Betrieb des Fleischerhandwerks konnte ein Umsatzplus von knapp 1,7 Prozent erwirtschaften. Das reichte in vielen Fällen jedoch nicht aus, um die im ersten Halbjahr drastisch gestiegenen Schlachtvieh- und Rohstoffpreise auszugleichen. Unter diesen Voraussetzungen konnte sich die Ertragssituation der Fleischer-Fachgeschäfte nicht verbessern. Im Jahresdurchschnitt erzielte ein mittelgroßes Unternehmen in der Umsatzgröße zwischen 500.000 und 750.000 Euro ein Betriebsergebnis von 12,8 Prozent. Das bedeutete eine Steigerung von lediglich 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert. Der Materialeinsatz stieg im selben Zeitraum von 44,9 auf 45,8 Prozent an. Der Personalkostenblock wuchs im selben Zeitraum ebenfalls um rund 1,5 Prozentpunkte. Die Ertragseinbußen im Verlauf des Jahres konnten somit auch durch um 3,8 Prozent gestiegene Verkaufspreise nicht abgefedert werden.

In dieser Situation muss das Fleischerhandwerk etwas Besonderes bieten. Auf der einen Seite stehen artgerechte Tierhaltung bei Landwirten in der Region sowie traditionelle, in den Fleischerfamilien oft seit Generationen weitergegebene Rezepte, auf der anderen Seite sind die modernen Arbeitsweisen mit Hilfe neuer Technik. „Dazwischen müssen wir einen Korridor finden“, meint Dieter Himperich. Er verweist darauf, dass man die Produkte des Fleischerhandwerks nicht mit denen aus der Massentierhaltung vergleichen könne: „Es ist ein Unterschied, ob ich das Stück Fleisch zu schätzen weiß, weil es von einem Tier stammt, das einmal gelebt hat – oder ob es für mich nur eine Angebotsware darstellt, zu der ich keinen Bezug habe.“ Ganz abgesehen davon, dass das Fleisch beim Metzger durch die artgerechte Haltung das Wasser besser binde und letztlich auch besser schmecke.

„Im Handwerk bekommt der Kunde eine Qualität, die es nur im Handwerk gibt“, betont Himperich. Damit sprechen die Fleischer Menschen an, die sich bewusst ernähren wollen, noch oft selbst kochen, dabei auf Regionalität achten und bereit sind, dafür einen etwas höheren Preis zu bezahlen.

Heutzutage sehen Fleischereien so aus wie früher die Feinkostläden. Auch die Produktpalette hat sich völlig geändert und erweitert. Früher beschränkte sich das Sortiment in der Metzgerei auf Wurst und Fleisch. Käse, Eier, Nudeln, Geschenkartikel, frische Salate gab es woanders. Party-Service auch, wenn überhaupt. Dieter Himperich bringt es auf den Punkt: „Wenn wir heute noch die gleichen Artikel hätten wie vor 25 Jahren, hätten wir vielleicht noch ein Drittel unseres Umsatzes.“

Wie sehr sich das Fleischerhandwerk gewandelt hat, wird auch deutlich, wenn man sich die Absatzwege und Serviceleistungen ansieht: Inzwischen betreiben rund 86 Prozent aller Fleischer-Fachbetriebe einen Party- und Plattenservice und drei Viertel haben einen Imbiss mit eigenem Verzehrbereich oder Stehtischen. Alleine diese beiden Dienstleistungen machen im Schnitt fast 20 Prozent des Umsatzes im Betrieb aus. Mit rund 67 Prozent des Umsatzes liegt der Schwerpunkt allerdings noch immer im Thekenverkauf in den Stammgeschäften und Filialen. Etwa zwölf Prozent des Branchenumsatzes werden durch Lieferungen an den Lebensmitteleinzelhandel, an Großverbraucher und Kollegen erwirtschaftet.

Das große Plus des Fleischerhandwerks ist das Vertrauen, das die Kunden ihrem Metzger entgegenbringen. Das haben sich die Betriebe zum Teil über Generationen hinweg erarbeitet – durch sorgfältige Auswahl und hochwertige Verarbeitung des Fleischs fernab aller Skandale. Dieter Himperich: „Wir sitzen nicht irgendwo, sondern sind an unseren Standorten verwurzelt und für den Kunden greifbar. Wenn ich etwas verkaufen würde, was nicht in Ordnung ist, würde sich das sehr schnell herumsprechen. Deshalb müssen wir jeden Tag unsere beste Leistung bringen.“ Diese Verantwortung dem Kunden gegenüber drückt sich auch auf andere Weise aus: Immer mehr Menschen reagieren allergisch auf bestimmte Stoffe. Deshalb ist es wichtig, dass der Kunde einen kompetenten Ansprechpartner hat, der erklären kann, was in der Wurst ist und was nicht.

Zur Vertrauensbildung beigetragen hat auch die f-Marke, die in ganz Deutschland ein Symbol für Qualität und die Leistungsfähigkeit des Fleischerhandwerks ist. In der Öffentlichkeit besitzt das Signet nicht nur einen hohen Bekanntheitsgrad, sondern genießt auch eine große Akzeptanz. Vor allem steht die f-Marke als „Einkaufswegweiser“ für Frische und Service aus Meisterhand.

Tiefgreifende Strukturveränderungen erlebten die Nahrungsmittelmärkte in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Davon war auch das Fleischerhandwerk betroffen. So ist die Zahl der eigenständigen Unternehmen in den letzten 20 Jahren nachhaltig zurückgegangen. Gleichzeitig wuchs der Trend zur Filialisierung. Heute gibt es einschließlich Filialen knapp 30.000 fleischerhandwerkliche Betriebe in Deutschland. Begünstigt wird die Filialisierung auch durch gesetzliche Bestimmungen: Wer eine Filiale eröffnen will, benötigt die europäische Hygienezulassung. Die wiederum kostet zwischen 10.000 und 40.000 Euro – zusätzliche Filialen tragen dazu bei, dass sich die Investition schneller amortisiert. Fleischermeister müssen heute auch die Kennzahlen ihres Betriebs im Griff haben. Früher war das vergleichsweise einfach, wie Dieter Himperich lächelnd berichtet: „Da sagten meine Eltern zur Angestellten: ,Zeichne mal schnell andere Preise aus, vor dem Schaufenster steht die Verkäuferin eines Kollegen!’“ Mit dieser Art der Kalkulation dürfte ein Betriebsinhaber heute nicht mehr weit kommen. Fast alle Kollegen in der Fleischer-Innung Bergisches Land hätten die betriebswirtschaftliche Unternehmensführung als Aufgabe angenommen, sagt Himperich.

Die fusionierte Innung sieht der Obermeister auf einem guten Weg des Zusammenwachsens. Viele Kollegen lernten sich kennen, indem sie gemeinsame Einkaufsmöglichkeiten nutzten. Die Innung leistet Hilfestellung in den fachlichen Bereichen. Das reicht von der Hygieneschulung über Kalkulations- und Kochseminare bis zu Verkaufstrainings, Steuerseminaren und Erste-Hilfe-Schulungen.

Ganz wichtig sei die Innung auch als Gesprächspartner für die Überwachungsbehörden wie Veterinärämter oder Finanzämter. Da habe sie eine andere Gesprächsebene als der einzelne Betrieb. Das große Innungsgebiet zwinge den vergleichsweise jungen Vorstand geradezu, ein attraktives Programm für die Betriebe zusammenzustellen, meint Himperich. „Einige Mitglieder müssen 50 Kilometer weit fahren, um zur Innungsversammlung zu kommen – das machen sie doch nur, wenn es sich für sie lohnt.“ Der Obermeister wünscht sich, dass sich möglichst viele Kollegen an der Innungsarbeit beteiligen: „Die Innung ist ein offenes System, das von den Ideen und Beiträgen ihrer Mitglieder lebt.“ 

Zur Person: Obermeister Dieter Himperich
Seit zehn Jahren engagiert sich Dieter Himperich als Obermeister der Fleischer-Innung. Er stammt aus Bensberg, wo er einen Betrieb mit 26 Mitarbeitern in der vierten Generation führt – und die nächste Generation „steht in den Puschen“, so der 55-Jährige. Himperich ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Entspannung sucht und findet der Fleischermeister bei seinem Hobby, dem Angeln.

65 Mitglieder in der Fleischer-Innung 65 Betriebe gehören der Fleischer-Innung Bergisches Land an. Die Mitglieder beschäftigen 528 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie 46 Auszubildende. Sie erwirtschaften einen Umsatz von 42,9 Millionen Euro. Deutschlandweit hat sich die durchschnittliche Beschäftigtenzahl pro Betrieb in den vergangenen Jahren auf ca. zehn Mitarbeiter verdoppelt. Insgesamt arbeiten in Deutschland rund 160.000 Menschen im Fleischerhandwerk. Mehr als 17.000 junge Leute absolvieren hier ihre Ausbildung zum Fleischer bzw. zur Fleischerei-Fachverkäuferin.  

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